Samstag, 26. September 2009

Typisch Argentinien

Ich habe mal eine kleine Liste zusammen gestellt...was mir bisher so aufgefallen ist...diese werde ich aber im Laufe der Zeit garantiert noch erweitern:

„tranquilo“…ist an sich schon das Lieblingswort der Argentinier…nämlich alles ruhiger anzugehen…und immer zu spät zu kommen….es gehört sogar zum guten Ton, mindestens eine halbe Stunde später zu kommen, als ausgemacht wurde…teilweise gilt das sogar für die Uni, aber die Vorlesungen enden dann dennoch zur regulären Zeit ;)

Ausgehen: die jungen Leute gehen hier wirklich VIEL weg, und beginnen auch schon in einem Alter von 14-15 Jahren, es wird viel getrunken und in Diskos/Bars ist erst ab 2 Uhr nachts was los, jedoch ist man dann auch immer bis 8 Uhr morgens unterwegs

Begrüßung: Um sich zu begrüßen, gibt man sich immer ein Küsschen auf die - meistens rechte - Wange. Sobald von zwei sich begrüßenden Personen auch nur eine davon weiblich ist, begrüßt man sich so. Männer untereinander begrüßen sich ebenfalls mit Küsschen, jedoch lediglich, wenn sie sich besser kennen....sprich mindestens schon 1-2 Mal getroffen haben.

Entwicklungsland: Argentinien IST ein Entwicklungsland. Die meisten Bewohner leben hier in Armut….während man in Deutschland davon spricht, dass die so genannte Mittelschicht am Aussterben ist, existiert diese in Argentinien gleich gar nicht. Die „Schere“ ist hier wirklich zu sehen….entweder sind die Leute arm oder reich. Es gibt nur eins der beiden.

Essen: ziemlich oft wird ein Lieferservice gerufen, der fertiges Essen bringt..meistens sind das dann Pizzen oder Empanadas (gefüllte Blätterteigtaschen)

Fernsehen: Dass in Deutschland alle ausländischen Filme und Serien synchronisiert sind, ist eine wahre Ausnahme. Auch hier in Argentinien sind die meisten Filme und Serien in Originalton mit spanischem Untertitel, die wenigsten Beiträge sind "hablado en castellano"! Zumeist nur dann, wenn es irgendwelche argentinischen Filme sind....aber die Filmindustrie hier ist durchaus nicht zu unterschätzen!

Fleisch: es ist nicht gesagt, dass jedes Haus hier eine Heizung hat (sogar die wenigsten), aber einen Grill hat fast jedes! Der Familienzusammenhalt ist generell größer, Jugendlichen ist es auch nicht „peinlich“, Zeit mit ihren Eltern und Geschwistern zu verbringen…und so kommt man zum (mindestens) einmal wöchentlichen gemeinsamen „asado“ = Grillen zusammen! Fleisch an sich ist hier auch wirklich günstig...Käse kostet in Argentinien beispielsweise doppelt so viel pro Kilo als das beste Stück Fleisch!!!

Friedhof: Friedhöfe in Argentinien sind ganz anders als bei uns. Jedes Grab ist eine eigene kleine Kapelle. Je nach Friedhof kann so eine Grabstelle ziemlich viel kosten. Argentinier haben eine wahre Ehrfurcht vor dem Tod und den Toten....deswegen lassen sie sich ihre Gräber auch einiges kosten, wahrscheinlich sogar mehr als zu Lebzeiten.

Fußball…und Maradona: jeder Argentinier kennt sich mit Fußball aus, ist begeistert davon und Familienweise wird man schon in bestimmte Vereine „hineingeboren“, also von welchem Club man Fan ist, und von welchem nicht…..untereinander rivalisieren sich die Argentinier so gesehen auch gewaltig. Pikantes Thema! Maradona jedoch lieben alle Argentinier, er ist sowas wie ein Mensch gewordener Gott….wird einstimmig verehrt…und man sollte nichts Gegenteiliges äußern!

Gas: Jedes Haus und jede Wohnung hat einen Anschluss ans Gasnetz, das heißt, dass alle Herde und Öfen mit Gas funktionieren. In Supermärkten kann man daher auch riesige Vorratspackungen Zündhölzer erstehen, um sich immer gleich Feuer machen zu können.

Gesellschaftsstrukur: in Vorlesungen setzen sich die Jungs untereinander in einen Block, und die Mädels untereinander hin….auch abends beim Weggehen treffen sich die Geschlechter schön voneinander getrennt zum Ausgehen und kommen dann höchstens beim „beschämten Flirten“ in den Diskos zusammen. Unternommen wird aber eigentlich nur immer was von den Mädels und von den Jungs jeweils untereinander

Glaube/Kirche: eigentlich sind hier ja die meisten erz-katholisch….aber in die Kirche geht keiner, und der Glaube scheint sich bei den meisten auch nur auf dem Papier abzuspielen….auf der anderen Seite wird aber von beinahe allen ein Kreuzzeichen gemacht, wenn sie eine Kirche passieren!

Kleidung: Die Männer schauen eigentlich immer gleich aus....mit (mind) 3-Tagesbart und genau genommen recht ungepflegt. Die Frauen scheren sich tagsüber selten um ihr Äußeres, und nicht selten sieht man sie in Jogginghose und dergleichen durch die Öffentlichkeit ziehen. Sobald es aber um irgendein Event geht, oder das Ausgehen natürlich, sind alle plötzlich wie Püppchen aufgestylt, haben sie sich mit den modernsten Klamotten in Schale geworfen und sehen aus, als kämen sie direkt vom Laufsteg! Eindeutig nicht wiederzuerkennen! Und wirklich auch irrsinnig, wie viel Zeit vor dem Weggehen für das Styling aufgewendet wird....2-3 Stunden vorher im Badezimmer zu verbringen ist da keine Seltenheit!

Klingel: Besonders in ärmeren Vierteln besitzen die Leute keine Klingel, weil es keine Elektrizität gibt. Man betritt dann aber das Grundstück nicht einfach so, sondern man klatscht in die Hände und wartet bis jemand vor die Tür kommt, denn das klatschen an sich ersetzt hier das klingeln!

Körpergröße: Die Argentinier sind durchschnittlich viel kleiner als "wir Europäer". Sowohl Männer als auch Frauen sind kleiner und zierlicher. Ich mit meinen 1,65m gehöre hier schon zu den "Riesen"...und es gibt hier sogar kaum Männer, die größer sind als ich!

Mate: ein Tee, den man wirklich immer und überall trinkt…..wie ist allerdings schon eine Wissenschaft für sich…bei Wiki genauer erklärt ;) http://de.wikipedia.org/wiki/Mate

Melancholie: Argentinier lieben den Konjunktiv, und neigen gern dazu im Selbstmitleid zu baden. Schließlich ist immer alles ganz schlecht, und der kleinste Rückschlag lässt die meisten gleich resignieren anstatt wie ein Löwe um ihre Sache zu kämpfen zu beginnen. Die Traurigkeit, Mitleid und die Sehnsucht....auch ausgedrückt im Tango...gehören also schon zum argentinischen "lifestyle".

Mücken: In Argentinien gibt es eine Menge Mücken, eine richtige Plage ist das. Dafür gibt es auch in jedem Supermarkt oder in jeder Apotheke ein "OFF", nämlich ein Spray (welches in Deutschland angeblich nicht existiert, da es Lebererkrankungen auslöst), das wirklich hilft. Die Family-Version muss man sich mindestens 2 Mal täglich auf den ganzen Körper sprühen, bevor man das Haus verlässt, und das "Grüne" ist extra-stark, das reicht meistens für den ganzen Tag. Dieses aggressive Zeug ersetzt duftmäßig also eigentlich auch jedes Deo.

Musik: es gibt viele nationale Musikgruppen, die jungen Leute spielen fast alle Gitarre und können richtig gut singen – vorteilhaft natürlich, dass sie sämtliche Texte auswendig können. Das beliebteste Genre ist hier Reggeaton….aber auch Rockmusik wird gern und viel gehört.

Nahverkehr: es gibt zwar Stadtbusse, aber keiner kennt sich damit aus, Buspläne existieren ja auch nicht, und man kann auch nicht wirklich irgendjemanden fragen. Jedoch gibt es überall Taxis, die auch gar nicht so teuer sind…sogar Einheimische fahren viel mit dem Taxi! Wenn es dann jemanden gibt, der ein Auto hat….dann sitzt man in einem normalen Kleinwagen schnell mal zu acht oder neunt drin….das ist keine Seltenheit! Angeschnallt wird sich hier übrigens auch nicht…und da die meisten Verkehrswege über „rechts vor links“ geregelt sind und die Argentinier Regeln nicht gerne mögen, ist es immer ein „herantasten“ und „Grenzen ausloten“….man muss beim Fahren also mitdenken und kann sich nicht typisch deutsch stur auf Regeln berufen.

Preise: egal wohin man geht, es wird bei den Preisen zwischen Einheimischen und Touristen unterschieden. Manchmal entscheiden Kellner auch rein vom Aussehen her, wie viel du für etwas zahlen kannst. Es geht dabei nicht um den Wert selbst, sondern rein darum, dass derjenige, der einen höheren Preis verkraften kann, ihn auch zu zahlen hat! Auf Studenten wird jedoch auch inner-argentinisch nicht unterschieden, da fällt immer der volle Preis an.

Regierung und Polizei: die Menschen vertrauen keinem, denken und reden nur schlecht über Politiker und Polizisten, erwarten auch das Schlimmste….Probleme werden in Selbstjustiz gelöst, oder Bekannte alarmiert…..die Polizei sind jedenfalls die letzten die gerufen werden!!

Reisen: Züge existieren zwar, werden aber nicht genommen, weil die total veraltet und extrem unzuverlässig sind. Hingegen gibt es Reisebusse, von denen man in Europa nur träumen kann. Die Sitze sind wahre Schlafsessel, es gibt Service an den Platz mit Speisen und Getränken inklusive. Egal wohin man will, findet man täglich mindestens einen Bus, der diese Route fährt…zu Zielen wie Buenos Aires (auch eine etwa 4-stündige Fahrt von Rosario) gibt es halbstündlich Busse! Buspläne existieren jedoch leider nicht, so muss man sich immer am Busbahnhof von Büro zu Büro über Abfahrtszeiten und Preise durchfragen…diese können bei fast gleichem Service nämlich dennoch gewaltig schwanken!

Servietten: Richtige Servietten scheinen in Argentinien nicht zu existieren. In der Öffentlichkeit bekommt man dünne Papierblätter, und privat wird Küchenrolle verwendet, die bei jedem Essen gleich für alle verfügbar auf dem Tisch steht.

Solidarität: Da die "Schere" des Wohlstands hier deutlich zu spüren ist, und die Argentinier ihrer Regierung nicht sonderlich trauen, nehmen sie ja alles nach Möglichkeit selbst in die Hand....somit auch die Armut. In der Uni wird in fast jeder Vorlesung gepredigt, dass Unternehmen auch eine soziale Verantwortung zu tragen haben, und sich solidarisch zeigen sollen. Auch wir Studenten sind deshalb auf eine "solidarische Reise nach Santiago del Estero" letzten Monat gefahren, um "Dienst an unseren Nächsten" zu tun.

Straßen: Das Straßennetz in fast allen argentinischen Städten ist streng quadratisch eingeteilt...und die Nummern werden pro Block vergeben, so dass ein bestimmter hunderter pro 100 Meter also genau einen Block verläuft. Man kann sich dadurch ziemlich leicht orientieren...denn die Straßen sind dadurch kilometerlang, und anhand der Zahlen weiß man dann auf welcher Höhe was liegt..!

Supermarkt: Lebensmittel kann man Montag bis Sonntag einkaufen gehen. Die normalen Öffnungszeiten bewegen sich so zwischen 8 und 22 Uhr. Am Sonntag ist mittags zur Siesta jedoch geschlossen. Stark verbreitet sind jedoch Kioske, die das wichtigste anbieten…oder Obst- und Gemüseläden….deren Qualität oft besser und die Preise oft niedriger als in Supermärkten ist….und die Öffnungszeiten sind selbstverständlich auch umfangreicher!

Süßigkeiten: Überall findet man „alfajores“, Kekse die mit „dulce de leche“ gefüllt sind und oft mit Schokolade überzogen sind…davon gibt es aber auch viele Varianten. „Dulce de leche“ ist hier übrigens unglaublich beliebt….es ist ein süßer Brotaufstrich, der noch 10 Mal beliebter als unser Nutella ist….und auch für sämtliche Kekse wird er verwendet…!

Tanzen: JEDER kann tanzen und tanzt gerne…auch Männer! Argentinier haben ein unglaubliches Rhythmusgefühl. Jedoch ist der so berühmte Tango weniger verbreitet als Salsa.

Toiletten: Meistens gibt es keinen Schlüssel an Toilettentüren. Man verschließt die Tür und das sollte Zeichen genug für diejenigen davor sein. Sollte eine Tür verschlossen sein, und man davor wartend nicht sicher sein, ob sich jemand darin befindet oder nicht, klopft man an. Wenn eine Reaktion "ocupado" kommt, ist es besetzt, wenn von drinnen niemand reagiert, wird davon ausgegangen, dass die Toilette frei ist. Klopapier ist meistens vor den Toiletten. In ganz öffentlichen Toiletten bekommt man Klopapier ausschließlich bei der "Klofrau", je nachdem wie viel Kleingeld/Trinkgeld man ihr gegeben hat.

Wechselgeld: In Argentinien herrscht eine akute Wechselgeld-Not. Jeder bunkert das Kleingeld, das er hat, weil man es ja mal wieder irgendjemandem auf der Straße geben können müsste, der einem die Tür oder sowas aufhält. Wenn es sich also um kleinere Beträge handelt, passiert es also durchaus, dass man in einem Geschäft ein paar Bonbons als Kleingeld-Ersatz anstelle des Wechselgeldes erhält.

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